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Jonathan Heimes

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Jonathan Heimes (*1990 † 09.03.2016) war ein großes Tennistalent und liebenswerter junger Mann, wichtiger Aufstiegshelfer von Darmstadt 98, ein großer Mutmacher sogar für (heute noch) Gesunde und der Beweis, dass mit dem Tod nicht alles endet.
Habe ich je mit einem Tennisspieler oder einer Tennisspielerin so mitgefiebert, so für sie die Daumen gedrückt?
Es gab doch z.B. vor fast 30 Jahren (1987) das siebenstündige Daviscup-Match auf Biegen und Brechen zwischen dem blutjungen Boris Becker und dem Routinier McEnroe (kein ‚Finale‘ im eigentlichen Sinn, sondern gegen den Abstieg aus der ‚Weltgruppe‘) oder das spannende Wimbledon-Finale 1991 zwischen Steffi Graf und Gabriela Sabatini.
Schön und gut. Das waren faszinierende Spiele und auch die bis zuletzt aufopferungsvoll kämpfenden Verlierer von einst sind noch heute Idole, Vorbilder des Tennissports.
Die Betonung liegt freilich auf ‚Spiel‘: Hier ist eine ‚Niederlage‘ nicht wirklich tragisch – schon weil die Prämie für die Zweitplatzierten üppig und tröstlich ausfällt.
Jenseits der ‚schönsten Nebensachen der Welt‘ gibt es freilich den realen, oft brutalen Überlebenskampf.
Die bloßen Spiele im schönen Schein (allenfalls) sporthistorischer Bedeutung sind alle nichts gegen den über viele Jahre nach der Art einer Homerschen Tragödie hin- und hertosenden, nicht etwa verzweifelten, sondern tapferen, immer wieder auch hoffnungsvollen, ja andere ermutigenden Lebenskampf eines hochtalentierten Sportlers und liebenswerten jungen Mannes, den wir bewundern, auch wenn dieser Kampf nun zu Ende gegangen ist.
‚Verloren‘ hat ihn Jonathan Heimes mit seinem gestrigen Tod keineswegs:
Zum einen wissen wir nicht, wie es ihm nun geht – ob es jenseits unserer Vorstellungswelt im Jenseits gepflegte Rasenplätze gibt, auf denen ‚Johnny‘ endlich mal wieder nach Herzenslust spielen kann, mit Gottfried v. Cramm, Michael Westphal, Arthur Ashe; zum andern bleibt er auf immer ein Hoffnungsträger für alle, die an Krebs erkrankt sind oder an einer anderen lebensbedrohenden Krankheit leiden und medizinisch bestens betreut um ihr Leben kämpfen.
Das Leben als existenzielle Herausforderung: wie es optimal zu führen ist, hat uns Jonathan Heimes gelehrt.

In diesem Kurzvideo können wir ihn näher kennenlernen:

Jonathan Heimes ist ein leuchtendes Vorbild für uns alle – unabhängig, ob wir gesund sind oder selbst gegen eine gefährliche Krankheit gar um unser Leben kämpfen.
Jonathan Heimes‘ gesellschaftliche ‚Relevanz‘ ist somit weit höher als bei vielen Sportlern, Schauspielern, Politikern (von fragwürdigen oder gar unwürdigen Gestalten der Weltgeschichte ganz zu schweigen, die sich als verzichtbare Karteileichen im Netz tummeln); insofern erscheint der Streit um seine eigene Wikipedia-Seite seitens der (neidischen?) Gegner geradezu beschämend.

Woher erfuhren wir vor knapp zwei Jahren von Jonathan Heimes?
Die (fast) wöchentliche Reportage-Sendereihe ‚37 Grad‘ gucken wir, meine Frau und ich, uns immer an, seit vielen Jahren. Selbst dann, wenn uns das Thema zunächst scheinbar nichts angeht.
‚Scheinbar‘: Denn oft kommt man erst hinter ein Problem, wenn man sich damit beschäftigt.
Professionelle Reporter mit Herz und Empathie bringen uns Lebensschicksale nahe, gegen welche die eigenen Sorgen fast lächerlich wirken.
Die Sendung vom 12.08.2014 hatte es von Anfang an in sich, schon beim Blick ins Fernsehprogrammheft: Ein liebenswerter, sportlich hochbegabter Junge, 2002 mit zwölf Jahren Jugend-Hessenmeister, wird mehrfach von Krebs heimgesucht – und gibt nicht auf.

Aus meiner Filmbetrachtung vom September 2014.

http://www.zelluloid.de/filme/kritik.php3?id=49457&tid=18343

„Die Diagnose der Ärzte der Frankfurter Uniklinik: ein bösartiger Gehirntumor. Er wird sofort operiert, sechs Stunden lang.
Zwei Wochen liegt Johnny im Koma. Als er erwacht, muss er neu sprechen, laufen und schreiben lernen. Anderthalb Jahre Krankenhaus, dann beginnt Johnnys erstes ‚Comeback‘, mit 15 Jahren. Er kann wieder die Schule besuchen, macht Abitur – und für ihn noch wichtiger: Er darf wieder auf den Tennisplatz.
Fünf Jahre geht alles gut; Johnny gilt ‚eigentlich‘ als geheilt. Doch dann die Hiobsbotschaft: Bei Routineuntersuchungen werden Tumore und Metastasen in der Wirbelsäule gefunden. Nach der erneuten Operation sieht es zunächst so aus, als sei alles gut verlaufen, aber dann der nächste Schock: Johnny spürt seine Beine nicht mehr, er muss in den Rollstuhl. Sein Kampfgeist ist zum ersten Mal erschöpft.
Aber dann schreibt ihm ein Freund: ‚4:6, 4:5, 15:40, zwei Matchbälle gegen dich; es ist noch nichts verloren, du musst kämpfen!‘…
Dieser Junge müsste einen Preis für das beste, originellste und vor allem wirkungsvollste Kurzgedicht des Jahres bekommen: Der Spruch mit Potenzial zum Lebenshilfe-Aphorismus gibt nämlich Johnny die Motivation zurück, die er braucht. Inzwischen ist er 19, sucht nach sportiven Alternativen – und findet seinen ganz eigenen Weg, wieder ganz vorne mitzumischen. Er startet eine Spendenaktion zugunsten krebskranker Kinder, verkauft Motivationsbändchen mit seinem Motto: ‚Du musst kämpfen, es ist noch nichts verloren.‘
Mehr als 40.000 Euro an Spendengeldern kommen so zusammen…
Dieses Motto muss er sich freilich ein drittes Mal zu Eigen machen: Im Februar 2013 kehrt der Krebs zum dritten Mal zurück! Von diesem Moment an begleitet ihn ‚37 Grad‘ mit der Kamera, zeigt, wie Johnny den Kampf gegen die Krankheit erneut aufnimmt, wie er trotz der extrem belastenden Chemotherapie durchhält, wie er immer wieder neue Reserven mobilisiert…
In einer Talkshow von Markus Lanz wenige Tage später war er, Johnny, der Star – der einzige, für den einzuschalten sich wirklich lohnte…“

Nichts von diesen Ausführungen muss ich zurücknehmen – auch nicht angesichts des Todes, der uns schließlich irgendwann alle erwartet.
Jonathan Heimes‘ Kampf war nicht vergebens, sondern setzt Maßstäbe für unser eigenes Leben.
Zu ergänzen sind Jonathan Heimes‘ Freundschaft mit der nun aufrichtig trauernden Andrea Petkovic und erfolgreiche Unterstützung des Fußballclubs SV Darmstadt 98 (1898), der am kommenden Samstag seiner gedenken und auch für ihn spielen wird.
„Wir wollen am Samstag auch für Johnny Leistung bringen und sein Gedankengut weiter bei uns tragen“, so Trainer Dirk Schuster. „Ohne Johnny würden wir heute wohl nicht über die Bundesliga sprechen.“
Klar, dass wir morgen wenigstens das ‚Aktuelle Sportstudio‘ gucken – und ab sofort Darmstadt für den Klassenerhalt die Daumen drücken…

Gedichte und Lieder, Dramen, Erzählungen und Romane zur Thematik gibt es wohl einige, aber noch nicht genug. Als erstes fiel mir schon damals ein bewegendes Chanson Reinhard Meys über einen Ficus Benjamini in einem ärztlichen Wartezimmer ein:
„Der Ficus Benjamini an der schweren Eisentür / Steht nicht aus freien Stücken dort, / Er kann ja nichts dafür, / Dass du hier in dem abgeranzten Keller warten musst. / Freundlich erträgt er deinen Missmut, teilt er deinen Frust…“
Die karge Pflanze mit dem lateinischen Namen steht bereits für Hoffnung auf Heilung, Überleben.
In diesem Fall war mir das Lied zu nachdenklich, melancholisch, nicht optimistisch genug. Deshalb schrieb ich damals speziell für Johnny ein Ermutigungsgedicht.
Die Hoffnung hielt anderthalb Jahre.
„Ist mein Gedicht deshalb Makulatur?“, fragte ich vor erst einem Monat in Zusammenhang mit dem ebenfalls tragischen Tod des auf seine Weise (nämlich intellektuell, rhetorisch, von seinem Humor und seiner Menschlichkeit her) ebenfalls überragenden Roger Willemsen, der mit erst 60 Jahren der gleichen schrecklichen Krankheit zum Opfer fiel und dem ich wie Johnny zu Lebzeiten ein Mutmacher-Gedicht gewidmet hatte.
Sind meine Verse nun „…nicht mehr das Papier wert, auf das sie gedruckt sind?
‚Tand‘ (also wertloser Schrott), wie Fontane alles von Menschen Her- und Hingestellte nennt?
Wirken die Verse hilflos, gar zynisch?
Natürlich nicht.
Sowenig der Tod unser Leben widerlegen kann und so sicher es uns früher oder später auch ist, so sehr lohnen Hoffnung und Glauben auf ein Leben nach dem Tode – zumindest in der Erinnerung der Überlebenden, womöglich aber darüber hinaus auch in einem unerahnbaren, unvorstellbaren überirdischen Universum…“

Ermutigung für Johnny 06.09.14

Johnny, du musst fighten, noch ist nichts verloren;
Johnny, lass das Kämpfen nicht sein!
Du hast Familie, Freunde, du bist nicht allein:
Mit jedem Atemzug wird Hoffnung neu geboren.

Trotze der Leukämie, den gefährlichen Tumoren,
Mögen Sie auch noch so böse in dir toben,
So werden sie den Tag nicht vor dem Abend loben:
Du musst kämpfen, noch ist nichts verloren!

Zwar hilft hier kein Klagen, Beten, Fluchen
Gegen Krebsgeschwür und Metastasen;
Doch werden wir die Zuversicht nicht sinken lassen:
Die medizinische Forschung wird zu heilen alles versuchen.

Eines Tages, Johnny, wirst endlich du gesunden
Und kehrst zufrieden auf den Tennisplatz zurück,
Genießt im Kreis der Freunde das hart erkämpfte Lebensglück,
Hast den schwersten Gegner tapfer überwunden.

Du Weltklassekämpfer gibst uns allen Mut und Zuversicht,
Die wir noch Gesunden mit dir hoffen, bangen
Bei deinem schweren Lebensmatch, dem extralangen.
‚15: 40, zwei Matchbälle gegen dich‘? Verloren hast du noch lange nicht!

Nun hat Jonathan Heimes doch ‚verloren‘, nicht den Kampf (so wie er ihn geführt hat), jedoch sein irdisches Leben, immerhin. In unserer Erinnerung freilich wird er weiterleben.
Seine mentale Stärke, seine Lebensfreude, sein ‚(Galgen)Humor trotz Tumor‘ weisen uns den Weg durch unser latent gefährdetes Leben.
Johnny, du bleibst für alle Zeiten unser Sieger!
Wer für die weiterhin bestehende Initiative von Johnny spenden will, findet Informationen unter ‚Kinderkrebshilfe Frankfurt‘:  http://www.kinderkrebs-frankfurt.de/dumusstkaempfen

Dipl.-Päd. RL Fred Maurer


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